Sonntag, 29. Januar 2017

Kriegertod von K. A. Winter



Klappentext

Der vierzehnjährige Ben hängt meist vor dem Computer oder kämpft als Wikinger beim Rollenspiel im Wald. Als sein Vater lebensbedrohlich erkrankt, läuft für Ben alles aus dem Ruder. Er fühlt sich wie ein winziges Staubkorn, das haltlos durch das Universum schwebt. Er kann mit den gesellschaftlichen Normen des friedlichen Todes nichts anfangen. Ben sucht Trost und Antworten in der heidnischen Wikingerwelt und nur sein sterbenskranker Vater scheint zu verstehen, was ihn bewegt. Die Situation wird immer auswegloser, bis Ben die gleichaltrige Neri trifft, die ihm völlig unvoreingenommen und unkompliziert zur Seite steht und Ben hilft, sein eigenes Ritual zu finden, um von seinem Vater Abschied zu nehmen.
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Leseprobe - Kapitel 1

In diesem Sommer spielte ich World of Warcraft und traf mich mit meinen Freunden beim Rollenspiel im Wald. Wir hatten unseren Wald Ravneskoven getauft – Rabenwald - und teilten ihn mit dem Schwarzfolk.
Wir bauten wochenlang einen Schutzwall um unser Dorf, um uns vor den Angriffen der Jöten zu schützen, die in der letzten Zeit nahezu unerträglich geworden waren. Irgendwie mussten wir sie wieder nach Jotunheim zurückdrängen. Wer weiß, was sie von uns wollten.
Ich vergaß nie am Ende des Tages, Thor ein Opfer zu bringen. Thor, dem Donnergott, dem Beschützer von Midgard, der Welt der Menschen. Eindeutig mein Lieblingsgott.
Aber meine Opfer waren nicht genug gewesen. Meinen Vater konnte ich damit nicht retten. Aber das wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Der Wald war sonnenwarm und trocken. Es roch nach Kiefern. Die schönste Jahreszeit. Ich hatte mein Kettenhemd abgelegt. Es war beim Holzhacken nur hinderlich. Wenn wir nicht kämpften, mussten wir arbeiten. Ohne Holz kein Feuer. Ohne Feuer kein warmes Essen. Die Welt hier war einfach und erträglich. Ich schwang die Axt über meinem Kopf und schlug den Scheit, der vor mir lag, in zwei Stücke. Sie fielen rechts und links vom Schlagblock auf den Waldboden. Langsam nahm ich das nächste Stück Holz in die Hand und schaute auf.
Jolan schlenderte gemächlich auf mich zu. Er war erst elf und ein Wikinger, wie ich. Jolan war neu im Rollenspiel und ich hatte ihn unter meine Fittiche genommen. Mit meinen vierzehn Jahren war ich hier ein alter Hase und erfahrener Krieger.
„Sei gegrüßt, Jolan“, sagte ich und legte das Stück Holz auf den Baumstumpf, den wir als Hackblock benutzten.
„Hallo Ragnar, darf ich auch mal Holz hacken?“
Mein wirklicher Name war Ben, aber der passte hier nicht rein. Deshalb nannte ich mich Ragnar. Jolan hieß einfach Jolan. Sein Name war cool. Er hatte ihn nicht geändert. Trotzdem war er erst elf. Durfte er überhaupt schon eine Axt in die Hand nehmen? Ich hörte die Stimme meiner Mutter im Kopf: Aber Benny, einem Elfjährigen kannst du doch keine Axt in die Hand geben. Hast du denn gar kein Verantwortungsgefühl?
Das Horn des Königs rettete mich. Lang und laut klang der dumpfe Ton durch den Wald. Schluss für heute. Ich packte zusammen. Jolan war enttäuscht.
„Du kannst mir beim nächsten Mal helfen, die Scheite am Versammlungshaus aufzustapeln.“
 „Okay, ich würde aber lieber Holz hacken.“
Ich nickte. „Wir fragen das nächste Mal den König. Dann kann er entscheiden.“ Ich legte meine Axt zur Seite und wir trotteten zur Schmiede, wo sich die anderen schon versammelt hatten. Siebzehn Wikinger standen auf dem Platz, Seite an Seite mit den Jöten, die ihre Gesichter grün geschminkt hatten und Hörner auf dem Kopf trugen. Wir hatten auch einen Troll dabei. Ein komischer Kerl, fast zwei Meter groß und nicht sehr gesprächig. Er knurrte uns nur meistens an, aber wenn wir ihn in Ruhe ließen, war er friedlich. Bei ihm wusste man nie, auf welcher Seite er gerade war. Mal kämpfte er mit uns, aber meistens schlug er sich auf die Seite der Jöten. Der König ließ ihn, denn wie er sagte, waren Trolle selten geworden, fast schon ausgestorben und wir wollten ihn nicht vertreiben. Der König dankte uns allen für unseren Einsatz heute und ermahnte uns, unseren Müll einzusammeln.
„Dann bis zum nächsten Wochenende. Wir sehen uns mit ungebrochenem Kampfgeist. Möge Odin mit euch sein.“
„Odin!“, brüllten wir. Dann packten wir zusammen. Für heute war Schluss.
Mit meinem Schwert und Schild auf dem Rücken radelte ich in voller Montur heim. Der Tag war lang gewesen und es dämmerte bereits. Aber zuhause hatte ich nichts versäumt. Mein Vater lag wie gewohnt auf dem Sofa und sah sich die Sportschau an. Er hob kurz die Hand, als er mich hereinkommen sah. Ich lehnte mein Schwert und Schild an die Wand und ließ mein Kettenhemd zu Boden fallen. Meine Mutter öffnete die Küchentür und sah mich missbilligend an.
„Benny, muss denn immer alles auf dem Boden landen?“
„Mach ich später“, war meine Standardantwort. In fünfzig Prozent der Fälle wirkte es und meine Mutter würde später selber die Sachen wegräumen.
„Naja, ist gut“, sagte sie. „Komm doch mal in die Küche. Ich muss mit dir reden.“
„Kann das nicht warten? Ich wollte noch kurz an den Computer.“
„Es ist wichtig“, antwortete meine Mutter.


Vita K. A. Winter

Hoch oben im Norden, an der Spitze Dänemarks, dort, wo es im Sommer niemals richtig dunkel wird, lebe ich mit meiner Familie und unserem Hund Lucy, die uns alle ständig auf Trapp hält.
Geboren und aufgewachsen bin ich in Berlin. Nach meinem Studium bin ich nach Dänemark ausgewandert und wohne jetzt in der beschaulichen Kleinstadt Hjørring, die nur wenige Kilometer von der Küste entfernt ist.
Dort gibt es endlose Sandstrände und herrlich naturbelassene Wälder, die ich oft und gerne mit Lucy durchstreife. Die besten Ideen zu meinen Büchern bekomme ich auf diesen Spaziergängen und auch meine Kinder sind eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration.
Wenn ihr auf eines meiner Bücher neugierig geworden seid, freue ich mich und wünsche euch viel Spaß beim Lesen!

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