Sonntag, 13. August 2017

„Koralle und Knochen“ von Tiffany Daune

Übersetzerinnen: Eva Markert und Christina Löw

Originaltitel: „Coral and Bone (The Siren Chronicles Book 1)“

Klappentext:
Halen weiß, dass die Funken, die sich unter ihren Fingerspitzen entzünden, gefährlich sind. Ihr ganzes Leben hat sie versucht, das Prickeln zu unterdrücken, das sie Sachen zerstören lässt. Doch jetzt, als sie wieder in Rockaway Beach ist, wo sie zusehen musste, wie ihr Vater ertrank, lassen sich die Flammen nicht mehr zügeln.
Halen bemüht sich, die Kontrolle zu behalten. Aber dann verschlägt es sie in eine mysteriöse neue Welt – in das Unterwasserreich Elosia. Dort kommt sie hinter die Geheimnisse ihrer Vergangenheit und kann die Funken nicht mehr zurückhalten. Während sie Elosia erkundet, erfährt sie, dass ihr bisheriges Leben eine Lüge gewesen ist. Und als diejenigen, die sie getäuscht haben, sie um Hilfe bitten, muss Halen sich entscheiden: Lässt sie all das hinter sich oder entfesselt sie die Magik, die sie alle vernichten könnte?
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Leseprobe:
Kapitel 1

Gegen ihre neue Angewohnheit, sein schiefes Lächeln zu zeichnen, kam Halen nicht leicht an. Während sie die Blätter in ihrem Heft umwendete, starrten die grauen Augen des Jungen zurück – fast hundert Zeichnungen in drei Monaten. Sie schlug eine leere Seite auf, ohne sich darum zu kümmern, ob der Lehrer es bemerkte, und setzte die Spitze ihres Bleistifts aufs Papier. Als sie die Augen schloss, wusste sie, dass der Junge da sein würde. Er ließ sie nie warten.
Sein Gesicht tauchte plötzlich vor ihr auf. Seine Stirn war gefurcht, die Lippen hatte er zu einer schmalen Linie zusammengepresst. Ihre Fingerspitzen sprühten Funken und als sie die Augen öffnete, hatte ihre Hand bereits sein kantiges Kinn gezeichnet. Halen skizzierte ihn schnell. Sie war vertraut mit seinen hohen Wangenknochen, unter denen sich Grübchen zeigten, wenn er lächelte. Sie wusste auch, dass eine Seite seines Kiefers eher ein bisschen rund als eckig war und seine Nase sich ganz leicht krümmte, als ob sie mal gebrochen und nicht sachgemäß gerichtet worden wäre. Seine Unvollkommenheiten ergaben Vollkommenheit.
Als sie seine Augen mit kohlschwarzen Schatten umrandete, sehnte sie sich danach, in die Seite zu steigen und ihn zu fragen, was ihn bedrückte. Sie hatte so viele Fragen an ihn. Während sie mit den Fingerspitzen über seinen Mund fuhr, biss sie sich auf die Lippen. Wenn du doch – wenn du doch real wärst.
Halen hatte den geheimnisvollen Jungen zum ersten Mal am Morgen des Umzugs gezeichnet. Nach Rockaway Beach zurückzukommen, war ein Albtraum; deshalb fürchtete sie das Schlimmste, als sie aus einem Schlaf erwachte, in dem sich das Gesicht des Jungen auf die Innenseite ihrer Lider eingebrannt hatte, und sich Funken an ihren Fingerspitzen entzündeten. Sie wusste, dass diese Funken eine Warnung bedeuteten. Ihr ganzes Leben lang hatte sie gegen die züngelnden Flammen angekämpft. Es hatte mehr mit dem Jungen auf sich, als sie zugeben wollte. Es hatte auch mehr mit Rockaway Beach auf sich, als sie bereit war, sich einzugestehen.
Der Junge lächelte wissend.
Als ob es dich kümmern würde. Mit einer ausladenden Handbewegung zeichnete sie einen langen Zwirbelbart unter seine Nase. Dann riss sie die Seite aus dem Heft und zerknüllte sie. Sofort wurden ihre Handinnenflächen so warm, als hielte sie einen heißen Stein. Doch sie wusste, dass diese Hitze aus ihrem Innern kam.

Über die Autorin:
Tiffany Daune
schreibt Geschichten über Magik, Liebe und dunkle Kreaturen, die in den Schatten lauern. Sie ist die Autorin von Surface und der Reihe The Siren Chronicles. Wenn sie nicht tief ins Reich des Überarbeitens entschwunden ist, liest sie ein Buch von ihrem turmhohen Stapel ungelesener Bücher oder entspannt sich, indem sie mit ihrer Familie zusammen Filme anschaut. Sie lebt auf einer Insel im Pazifischen Nordwesten umgeben von Meerjungfrauen, die viel freundlicher sind als die in ihren Büchern.

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